Die Tellerwerferin

Ich bin eine Tellerwerferin.
 
Ja, das bin ich. Und ich tue das schwungvoll und mit ganzem Herzen. Wenn der Teller dann erfolgreich zerdeppert ist,
zerbricht in mir auch die vorangegangene Wut und macht Platz für gute Gefühle.
Warum ich das erzähle ? Nein, ich will keine Selbsthilfegruppe der Tellerwerfer gründen und auch nicht die Porzellanproduktion
wirtschaftlich ankurbeln, es hat andere Gründe: Meine Wurfgeschosse sind mir ausgegangen !
Meine extra dafür angelegte Reserve aus Tellern vom Flohmarkt ist leer.
 
Normalerweise kaufe ich mir Teller auf Vorrat: Billige Teller, die ich irgendwo erstehe und deren Bestimmung es ist,
zu Bruch zu gehen.
Sie lagern ruhig aufeinander gestapelt in einem Regal, auf den ich rasch Zugriff habe, wenn nötig. Ob sie glücklich oder eher
dumpf ihrem Ende entgegen sehen, kann ich nicht sagen und spielt auch keine Rolle.
Wichtig ist nur, dass sie mir schon oft das Leben gerettet haben. Doch doch. Sie hindern mich daran,
innerlich ein Geschwür aus Wut und Angst zu züchten.
Ich werfe gezielt, direkt vor meine Füsse, meistens begleitet von einem lauten Fluch.
Der Hund, um die Tierschützer hier zu beruhigen, kennt die Situation und beobachtet mich während des geschehens
mehr neugierig, als ängstlich. Wenn ich dann weinend, erst das laute Klack des zerberstenden Porzelland öffnet diese
gute Schleuse, die Scherben zusammenkehre, kommt er und setzt sich neben mich.
 
So. Und heute eben stellte ich mit Schrecken fest: Ich muss neue Teller kaufen.
Bevor ich mich notgedrungen an meinen Tassen vergreife.