Von der Liebe. Und den Blumen.

Warum  bleiben bestimmte Menschen ein Leben lang zusammen und andere trennen sich schon nach ein paar Wochen wieder ?
Was ist Liebe ?

Wir haben stundenlang darüber geredet.Damals.Nächtelang in der Küche gesessen, geraucht und viel Wein dabei getrunken. Weil Liebe den Menschen nicht nur zum glücklichsten, sondern auch todunglücklichsten Menschen machen kann: Als Liebender steht man über allem und ich doch ganz ausserhalb. In einer eigenen Kugel, sozusagen.
Und als zurückgewiesener erst Recht: Die eigene Existenz wird in Frage gestellt, weil einem das Liebste genommen wurde oder die eigenen Gefühle nicht erwidert werden.

Liebe ist, da waren wir uns schon damals sicher, die existenzerschütternste Erfahrung des Menschen.

Ich war vor ein paar Tagen beim Blumenhändler, einem ganz grossen, und stiess dort auf die Liebe. Oder eher: Auf die Liebe zweier Menschen, die so rein schien (und hier versuche ich, nicht allzu romantisch ins schwülstige zu fallen) , dass ich bei der Betrachtung der beiden Herzklopfen bekam. Wahrhaftig.
Sie, eine rüstige, ältere Dame in einem geblümten Kleid mit praktischen Turnschuhen an den Füssen. Winzig fast. (Die Frau, nicht die Füsse.). Mit weissen, langen Haaren, die sie im Nacken zu einem Knoten geschlungen hatte.
Er, mindestens einen Kopf grösser als sie, breitschultrig, in Jeans und Hosenträger und wettergebräuntem Gesicht.

Der Mann schob den Einkaufswagen, während sie Blumentopf um Blumentopf auf seine Tauglichkeit prüfte. Blätter beiseite schob, an den Blumen roch und bei jeder den Namen der Blume flüsterte, als würde sie diese begrüssen.
Gelegentlich hielt ein Topf der Prüfung stand und wurde zum Wagen getragen.
Dort angekommen lächelte sie ihren Mann an und erklärte ihm die Vorzüge dieser Pflanze und den Standort im Garten, den sie bekommen würde.
Er nickte jeweils lächelnd, gerade so, als hätte sie ihm die schönste Liebeserklärung gemacht.

Ich denke, er hat nicht viel für Blumen übrig aber er weiss, dass sie sie liebt.
Das macht ihn glücklich. Ihr Glück. So gesehen.

Ich zog an einem Topf, den ich unbedingt haben wollte, der sich mit der Nachbarin so verschlungen hatte, dass ich sie kaum lösen konnte. (Ja. Auch eine Form von Liebe, nicht wahr?)
Sie kam mir zu Hilfe und wir wechselten ein paar Worte. Lächelnd. (Sie roch nach Veilchen, einem sehr alten Duft, den ich von früher kenne.)

„Sag mal…“ er wartete, bis wir fertig mit dem Blättergewuschtel der Töpfe waren, „…kaufst du auch ein paar Enzian ?“

Ich weiss auch nicht, warum wir alle drei losgelacht haben. Vielleicht, weil das Wetter so schön war oder weil grad Montag war. Was weiss ich. Ich weiss nur, dass dieses Lachen so befreiend war, so verbindend. Und ich in diesem Moment die Liebe dieser zwei alten Leute so intensiv spürte, dass mir bewusst wurde, dass ich nie wissen werde, WARUM gewisse Menschen ein Leben lang zusammen bleiben.
Und andere nicht.

Da kann ich noch Nächte damit zubringen, darüber zu diskutieren oder psychologische Abhandlungen darüber zu lesen.
Liebe ist mehr als die Chemie, mehr als das sexuelle Begehren, mehr als die Verbindung von Animus und Anima.

Liebe macht glücklich und Liebe verlängert das Leben.
Wer das nicht glaubt, soll ins Gartencenter fahren: Womöglich hat er das Glück, die Liebe zu sehen.
Sie IST. Mehr nicht. Aber auch kein bisschen weniger.